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Pädophilie im Netz - oder auch: Cyber-Grooming

Aktualisiert: 4. Nov. 2020



Ich mag den Begriff Cyber-Grooming nicht. Er verharmlost meiner Meinung nach nämlich auf den ersten Blick das, worum es wirklich geht: Pädophilie im Internet.

Um dieses, zugegeben schwere, Thema soll es in diesem Artikel also gehen. Ich möchte kurz erklären, was Cyber-Grooming eigentlich ist, wie typische Abläufe sein können, bei welchen Anzeichen die Alarmglocken läuten sollten und wie man sein Kind schützen kann.

Ich werde im Folgenden trotzdem den Begriff „Cyber-Grooming“ benutzen, einfach, weil er sich besser in Sätze eingliedern lässt als „Pädophilie im Internet“.


Pädophilie ist eine Krankheit, das ist mir klar. Genauer gesagt eine Störung der Sexualpräferenz (WHO). Ich verurteile hier im Folgenden nicht diejenigen, die sich deswegen in Behandlung oder Betreuung begeben haben, um kein Täter zu werden. Das finde ich sogar lobenswert. Ich gehe hier in diesem Artikel auf diejenigen ein, die diese Störung willentlich ausleben und damit bewusst das Wohl von Kindern gefährden.


Was ist Cyber-Grooming eigentlich?

Cyber-Grooming bezeichnet das Vorgehen auf sozialen Medien, Kontakt zu Kindern aufzunehmen, mit dem Ziel, ihr Vertrauen zu gewinnen, um sie dann schlimmstenfalls sexuell zu belästigen oder zu misshandeln. Die Täter sind hierbei Erwachsene mit sexuellem Interesse an Kindern, kurz: Pädophile. Die Hemmschwelle, Kinder anzusprechen, ist im Internet natürlich um ein Vielfaches niedriger, als im „echten Leben“. Nicht zuletzt deswegen, weil man im Netz erstmal anonym ist. Man kann sich als jemand anderes ausgeben, beispielsweise als jemanden im gleichen Alter, und sich somit nach und nach das Vertrauen von Kindern erschleichen.


Wie verläuft Cyber-Grooming?

Beispiel in Kurzform für einen Chat auf sozialen Medien:

„Hey wie geht’s?“

„Gut und dir?“

„Auch gut. Du bist doch auf der Schule XYZ oder?“ „Kennen wir uns?“

„Ne aber ich bin neu hierhin gezogen und ich hab auf deinem Profil gesehen, dass du da auf die Schule gehst. Wie alt bist du?“

„12 und du?“

„Auch. Was hast du für Hobbies?“

„Schwimmen und reiten“

„Ah cool, in welches Schwimmbad gehst du dann immer?“

„In das hier im Ort“

„Wie sieht denn dein Bikini aus, magst Du mir mal ein Foto schicken?“


Beispiel in Kurzform für einen Chat in einem Computerspiel:

„Hey, du hast’s voll drauf“

„Danke“

„Wie alt bist du?“

„12 und du?“ „Auch. Du kommst doch auch aus XYZ oder?“

„Ja warum“

„Ich auch. Sollen wir mal zusammen zocken? Ich hab voll den guten Gaming-PC, du kannst ja mal zu mir kommen“


Cyber-Grooming verläuft immer nach einem ähnlichen Muster: Der Täter schreibt das Kind über eine Social-Media-Plattform an. Das können soziale Plattformen wie Instagram, TikTok, etc. sein, aber auch Computerspiele wie bsp. Fortnite.

Und wie gesagt, oft geben sich die Täter als jemand aus, der schnell das Vertrauen des Kindes gewinnen kann. Beispielsweise als jemand aus derselben Ortschaft im gleichen oder ähnlichen Alter mit den gleichen oder ähnlichen Interessen.

Ich würde die Pädophilen in sozialen Netzwerken in zwei Hauptgruppen unterteilen:


Typ 1: Hier nimmt sich der Täter viel Zeit, Vertrauen zum Kind aufzubauen. Er macht sich die Mühe, sich ein Fake Profil anzulegen, damit das Opfer nicht bemerkt, dass es in Wirklichkeit beispielsweise mit einem erwachsenem Mann anstatt mit einem gleichaltrigen Mädchen zu tun hat. Durch das gewonnene Vertrauen und die Beziehung, die sich durch regelmäßiges Chatten entwickelt hat, erhofft sich der Täter, irgendwann Fotos vom Opfer geschickt zu bekommen oder schlimmstenfalls sogar ein Treffen.


Typ 2: Diese Gruppe ist häufig bei YouTube oder TikTok anzutreffen. Sie kommentieren unter den geposteten Videos und Fotos, dass sie doch mal mehr Haut zeigen sollen, das nächste Mal in High Heels filmen sollen oder noch Abartigeres. Sie gehen mehr „auf Masse“, also kommentieren viel und oft und unter vielen verschiedenen Profilen. Solltet ihr Kommentare von Typ 2 bekommen: Screenshots der Kommentare anfertigen (sicher ist sicher), löschen und dann das Profil melden! Man muss auch wissen, dass diese Menschen die Fotos nicht nur für sich selbst nutzen, sondern sie in den Pädophilen-Kreisen im Darknet verbreiten. Übrigens: Manchmal geben sich die Täter auch als Modelscouts aus. Das macht das Erfragen von Fotos leichter. Erzählt euren Kindern also am besten auch von dieser Masche, sodass keine falschen Hoffnungen geweckt werden und Schlimmeres verhindert werden kann.


Typ 1 ist also der perfidere Typ und somit auch gefährlicher, denn oft ist das Ziel nicht nur Fotos zu bekommen, sondern ein Treffen zu vereinbaren. Noch gefährlicher wird es, wenn es dem Täter gelungen ist, ein Foto des Kindes zu erlangen. Jetzt hat er etwas gegen das Kind in der Hand und kann es möglicherweise erpressen. Dafür muss das Foto nicht mal anzüglich sein. Aber da das Kind wahrscheinlich weiß, dass es ein Fehler war, ist die Hemmschwelle größer, die Eltern miteinzubeziehen. Und genau deshalb ist es auch so wichtig, dass wir mit unseren Kindern über dieses Thema reden. Ihnen erklären, dass es da draußen diese Menschen gibt, die ihnen Böses wollen. Und wir müssen den Kindern vor allem auch klarmachen, dass sie JEDERZEIT zu uns kommen können, selbst wenn sie schon „etwas Dummes“ gemacht haben.


Bei welchen Anzeichen sollten die Alarmglocken läuten?

Da Ihr ja bestimmt nicht jeden einzelnen Chat Eurer Kindern mitbekommt, solltet Ihr die Liste am besten mit den Kindern gemeinsam durchgehen und die Kinder für die Anzeichen sensibilisieren. Im Grunde ist man mit gesundem Menschenverstand schon gut dabei, aber im Folgenden findet ihr eine Auflistung der Anzeichen, bei denen man genauer hinschauen sollte. Ihr könnt ja vereinbaren, dass das Kind zu euch kommen soll, sobald ihm eins oder mehrere dieser Anzeichen während eines Chats unterkommen.


- Jemand fremdes schreibt mich in einem sozialen Netzwerk an. Sobald ich darauf eingehe, schlägt die Person vor, in einen privaten Chat zu wechseln.

- Diese Person ist, hach was für ein Zufall, genauso alt wie ich oder zumindest in ähnlichem Alter

- Und nee, sag bloß, wohnt auch noch in meiner Nähe

- Und wie der Zufall so will: hat sie auch noch dieselben Interessen wie ich. Toll!

- Die Person versteht mich vooooll gut, ist immer für mich da und schmeichelt mir mit ihrem großen Interesse

- Die Person schreibt mir oft und stellt mir viele Fragen. Diese Fragen haben mehr und mehr mit meiner Privatsphäre zu tun: Wo ich wohne, auf welche Schule ich gehe, welchen Schulweg ich nehme, welchen Hobbies ich nachgehe (und wo) und so weiter, und so fort. Ganz krass wird es dann, wenn die Fragen sexuell werden, wie z.B. ob man schon mal geküsst hat, was für Unterwäsche man trägt, ob man schon mal sexuell aktiv war, etc.

- Die Person fragt mich nach Fotos von mir

- Und irgendwann möchte sie mich treffen. Und natürlich soll man Mama und Papa davon nix erzählen. Und am besten ist der Ort auch noch bei der Person zuhause, is’ klar.

- Wovon ich auch oft gelesen habe, ist, dass wenn man Misstrauen zeigt, von der Person bedroht wird à la: Schick mir ein (Nackt)Foto von Dir oder ich erzähle Deinen Eltern [irgendein Geheimnis, das man zuvor der Person anvertraut hat].


Wie kann man sein Kind schützen?

1. Das Kind für dieses Thema sensibilisieren. Ihr seht, dass die Anzeichen, die eure Alarmglocken läuten lassen sollen, ziemlich logisch sind. Aber nur dann, wenn man darüber Bescheid weiß. Dass ein Kind nicht von selbst auf die Idee kommt, dass es Pädophile gibt ist ja auch irgendwie klar. Aber gerade weil die Signale relativ plausibel sind, ist es wahrscheinlich auch kein Hexenwerk, das dem Kind gut zu vermitteln. Ich finde es einfach wichtig, dass man mit Kindern über solche Themen spricht. Denn ich glaube, dass wenn man aufgeklärt darüber ist, dass es Bösewichte gibt, dann hat man ein viel besseres Gespür für die verschiedenen Situationen im digitalen Dschungel und fällt nicht so schnell auf den bösen Wolf rein, der sich in Großmütterchens Kostüm verkleidet hat. Darüber reden bedeutet auch nicht gleich, den Teufel an die Wand zu malen, sondern dient der Aufklärung. Es gibt solche Leute im WWW, wie auch im realen Leben, und man darf die Augen nicht davor verschließen. Im Gegenteil, man muss den Blick der Kinder für so etwas schärfen.


2. Feste Regeln vereinbaren. Dennoch sind gewisse Regeln für die Kinder unerlässlich und können das Risiko erheblich einschränken. Aber nur, wenn man die Regeln nicht einfach nur aufstellt, sondern sie auch erklärt. Drei Beispiele, die ihr natürlich ergänzen könnt.

  • Keine privaten Daten preisgeben. Dazu gehört der richtige Name (vor allem nicht der Nachname), die Adresse, die Schule und sonstige private Informationen.

  • Keine Fotos von sich an Fremde schicken. Auch nicht, wenn sie sich als Modelscouts ausgeben. Generell: keine intimen Fotos von sich an IRGENDjemanden verschicken. Selbst wenn es sich tatsächlich um Freunde aus dem realen Leben handelt, muss klar sein, dass Fotos später einmal gegen einen verwendet werden können. Also: Just don’t do it.

  • Niemals, ich wiederhole: Niemals sich mit jemand Fremdem treffen, ohne das mit Mama und Papa abzusprechen.


3. Bauchgefühl kultivieren. Auch ist es empfehlenswert, das Kind zu ermutigen, auf sein Bauchgefühl zu hören (welches natürlich noch besser ausgebildet wird, indem man überhaupt erstmal über solche Themen spricht). Ermutigt die Kinder auch dazu, sollte das Bauchgefühl anschlagen, immer zu Euch zu kommen. Es könnte beispielsweise dann anschlagen, wenn man sich bei bestimmten Fragen des Gegenübers einfach nicht wohlfühlt.


4. Verbote meiden. Gerade bei solchen Themen verstehe ich es total, wenn man dem Kind am liebsten bestimmte Apps gänzlich verbieten würde. Aber ob das immer der richtige Weg ist, bezweifle ich. Denn wenn das Kind eine bestimmte App UNBEDINGT nutzen möchte, dann kann es doch sein, dass unser Verbot hintergangen wird. Wir kontrollieren ja schließlich nicht jeden Tag das Handy des Kindes, oder? Also, wenn dem so wäre, dass das Kind sich dann trotzdem in von uns verbotenen Dschungel-Teilen aufhält, dann wäre es doch besser, wenn wir das Kind darauf vorbereiten könnten. Überspitzt gesagt hier zwei Optionen zur Veranschaulichung:

Option 1: Wir verbieten dem Kind die App XYZ und das Thema ist gegessen. Das Kind allerdings installiert sich die App trotzdem und tappt in jede erdenkliche Falle, weil es nicht aufgeklärt wurde.

Option 2: Wir besprechen gemeinsam mit dem Kind, warum wir die App XYZ für bedenklich halten. Das Kind erklärt uns, warum es die App XYZ trotzdem gerne haben möchte. Man informiert sich im Internet über die App XYZ (zum Beispiel hier :-)), klärt dann das Kind auf, man versucht einen Kompromiss zu finden und vereinbart klare Regeln. Und jetzt das ganze an einem konkreten Beispiel, nehmen wir die App TikTok (hier könnt ihr nachlesen, was das ist):

Wenn das Kind unbedingt TikTok nutzen möchte, dann könnte man vereinbaren, dass man in den Einstellungen festlegt, dass man keine Nachrichten und Kommentare von Fremden bekommen kann. Außerdem könnte man vereinbaren, dass das Kind, wenn es denn selbst Videos machen möchte, nicht sein Gesicht zeigt. So macht es eine befreundete Familie von mir und das passt dann so für beide Parteien, die Eltern und das Kind.


Fazit

Das Thema ist zwar unbequem und hässlich, aber trotzdem müssen wir uns darüber bewusst sein, dass es Teil des digitalen Dschungels ist. Wir müssen uns selbst aufklären, wie solche Chats ablaufen können und was erste Anzeichen sind und dieses Wissen an unsere Kinder weitergeben.

Nicht durch Verbote schützen wir unsere Kinder, sondern durch die richtige Aufklärung. Wenn man also dem Kind eine App verbieten möchte, dann kann man ja vielleicht darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, sie unter bestimmten Vereinbarungen zu erlauben.

Das Wichtigste ist und bleibt jedoch, dass wir unseren Kindern klarmachen, dass sie jederzeit zu uns kommen können, wenn sie ein komisches Bauchgefühl haben. Doch nicht nur das, die Kinder müssen wissen, dass sie sich uns selbst dann anvertrauen können, wenn sie Mist gebaut haben: Eine App trotz Verbot genutzt oder mit einem Fremden gechattet haben.


Bild von KatinkavomWolfenmond auf Pixabay


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