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Unter der Lupe: Die App Tellonym


Tellonym ist eine App, auf der man anderen Nutzern anonym Fragen stellen kann. Antwortet der- oder diejenige auf eine Frage, erscheint sie für jedermann sichtbar auf seinem/ihrem Profil. Also wirklich für jeden sichtbar, man muss selbst kein Profil haben, um sich die Accounts und alle beantworteten Fragen der Nutzer durchzulesen.

Auf diese App bin ich über Instagram aufmerksam geworden, als der 14-jährige Cousin meiner besten Freundin mehrfach den Satz „Schickt mir Tells“ in seine Story gepostet hatte. Was mache ich also? Ich lade mir die App herunter und fordere auf Facebook und Instagram dazu auf, mir Fragen zu schicken, schaue mir die Sicherheitseinstellungen an und bin froh, nicht gemobbt worden zu sein. Wir befassen uns also in diesem Artikel damit, was Tellonym ist, welche technischen Einstellungen es gibt, warum die App bei Teenagern so gut ankommt und wo ich potentielle Gefahren sehe.

Was ist Tellonym?

  • Die kostenlose App Tellonym wurde 2016 von fünf Jungs in Berlin gegründet

  • Der Name setzt sich aus den zwei englischen Wörtern to tell (etwas sagen) und anonym zusammen

  • Der Kern-Gedanke der Gründer ist, dass man sich mithilfe der App ehrliches Feedback einholen kann. Egal zu welchem Thema, was erstmal praktisch ist. So haben sich, nach Aussage einem der Gründer, schon Lehrer ein Profil erstellt, um endlich mal ehrliches Feedback der Schüler zu bekommen. https://orange.handelsblatt.com/artikel/34729

  • Wenn man sich ein Profil erstellt, muss man weder E-Mail-Adresse, noch Handynummer noch seinen Namen angeben. Aus technischer Sicht ist man allerdings nicht zu 100% anonym, denn in Ausnahmefällen könnten die Entwickler die IP-Adresse zurückverfolgen.

  • Man braucht kein Profil, um jemandem Fragen zu stellen.

  • Bekommt man eine Frage gestellt, genannt Tell, sieht man sie erstmal nur selbst. Erst, wenn man sie beantwortet, ist die Frage öffentlich einsehbar. Man kann also steuern, welche Fragen auf seinem Profil angezeigt werden.

  • Tellonym ist ab für Apple-Nutzer ab 17 Jahren erlaubt, für Android-Nutzer ab 12, aber man wird beim Download der App nicht nach einem Nachweis gefragt. Das heißt, dass man sich problemlos die App installieren kann, selbst, wenn man jünger ist.

  • Tellonym finanziert sich über Werbeinnahmen, was beim Durchscrollen nervt, aber leider normal ist, weil die App kostenlos ist. That’s the deal.

Welche technischen Einstellungen kann ich vornehmen?


  • Man kann unter den Sicherheitsoptionen einstellen, dass man nur Tells von registrierten Nutzen bekommen kann. Aber: Wenn Ihr diese Einstellung vornehmen wollt, kann ich mir vorstellen, dass das Kind das nicht so cool findet. Einfach aus dem Grund, weil es dann sehr viel weniger Tells bekommen wird, weil nicht jeder, der Fragen stellt auch die App hat.

  • Man kann in den Sicherheitsoptionen eine Art Black List von bis zu zehn Wörtern erstellen. Wenn ein Dir zugeschickter Tell eins dieser Wörter enthält, wird er Dir nicht angezeigt. Wenn ich beispielweise das Wort „dumm“ in dieser Liste habe, dann wird mir ein Tell mit dem Inhalt „du bist dumm“ nicht angezeigt werden.

  • Man kann unangebrachte Nachrichten ganz einfach melden. Das Team von Tellonym überprüft diese Meldungen dann und wenn der Tell gegen eine Richtlinie verstößt, wird er gelöscht.

  • Man kann Nutzer blockieren – selbst wenn mir diese als anonym angezeigt werden. Somit bekommt man von diesem:r Nutzer:in dann keine Tells mehr.

  • Tellonym arbeitet mit einem Sprachfilter, das heißt, dass alle Tells einen Algorithmus durchlaufen. Wenn die Inhalte schon von diesem als unangebracht eingestuft werden, erscheinen sie gar nicht. Cool finde ich, dass man in seinen eigenen Einstellungen den Sprachfilter nochmal in fünf Stufen einstellen kann: Sehr gering / Gering / Mittel / Hoch / Sehr hoch. Mit dem 14-jährigen Cousin meiner besten Freundin habe ich diesen Filter mal getestet, indem ich ihm Tells wie "du bist hässlich", "hurensohn" und "son of a bitch" geschickt habe. Sie kamen alle nicht bei ihm an. Der Tell „Sex...“ kam an. Den Sprachfilter hat er auf Stufe mittel.



Warum kommt die App bei Teenagern so gut an?


Ich kann das um ehrlich zu sein sehr gut nachvollziehen, dass die App bei Teenagern so gut ankommt. Ich habe mich durch so einige Tellonym-Accounts von (mir völlig fremden) Teenagern geklickt. Man bekommt interessante Fragen gestellt, denkt über diese nach, beantwortet sie. Oft sind es auch gar keine Fragen, sondern einfach nur Komplimente. Oft sind es aber auch Beleidigungen, dazu im nächsten Punkt mehr. Es ist ganz einfach eine App zur Selbstinszenierung, da man sich ja auch selbst aussuchen kann, welche Fragen auf seinem Profil angezeigt werden, also pickt man sich nur die guten und interessanten raus. Der Begriff Selbstinszenierung ist so negativ behaftet, aber gehört es nicht zum Erwachsenwerden dazu, dass man sich gerne präsentiert?


Außerdem sagt mein 14-jähriger Ansprechpartner, dass es auch deshalb gut bei Teenies ankommt, weil man Fragen stellen kann, die man sich aufgrund der Pubertät vielleicht eher nicht zu stellen trauen würde.

Wo sehe ich Gefahren?


Jemandem anonym etwas schreiben können?

Jemandem. Anonym. Etwas. Schreiben. Können.

Das schreit doch nach Mobbing! Und ist tatsächlich auch Realität, wie man nicht zuletzt an den Bewertungen in den App Stores nachlesen kann. Ich kann mir vorstellen, dass sowas, je nach Art der Beleidigung, ziemlich fies sein und einen sehr belasten kann. Gerade bei Teenagern. Selbst ich, und ich zähle immerhin schon 25 Jahre, wäre nicht gefeit davor, Kritik viel zu nah an mich ranzulassen. Also klar, würde mir einfach jemand schreiben „Du Hurensohn“ oder „Du bist hässlich“, könnte ich das wahrscheinlich an mir abprallen lassen. Aber wenn jemand schreibt, dass er mich aus bestimmten Gründen scheiße oder meinen Blog total lächerlich findet, dann würde ich mir schon Gedanken machen. Vor allem ist dann das nächste Problem, dass man wissen möchte, wer das geschrieben hat. Das wird man aber nie herausfinden, weil... es anonym ist.

Eine andere Gefahr sehe ich darin, dass man zu unbedacht mit seinen Antworten umgeht. Fragen nach persönlichen Informationen sollten nicht beantwortet werden. Punkt. Selbst eine auf den ersten Blick harmlos erscheinende Frage wie „Wo gehst Du zur Schule?“ kann der erste Schritt eines Pädophilen sein, Informationen über das Kind oder den Teenager herauszufinden. Macht das Euren Kindern klar: Dass die Fragensteller nicht unbedingt nur Freund:innen und Klassenkamerad:innen sind.


Fazit


Fragt am besten mal bei Eurem Kind oder jüngeren Geschwistern nach, ob sie die App haben. Wenn ja, sprecht mit ihnen über das Thema Cyber-Mobbing (hier mein Artikel dazu). Haben sie es selbst schon mal erlebt? Oder bei einem Freund oder einer Freundin mitbekommen? Selbst schon mal was Fieses geschrieben?

Die App ist ein ziemlich guter Aufhänger für ein Gespräch à la „Was Du jemandem nicht ins Gesicht sagen würdest, das sagst Du ihm auch nicht im Internet“.

Ich finde es okay, wenn die Kids diese App benutzen. Mit ein paar Einstellungen, einer eigens angelegten Black List von fiesen Wörtern, und natürlich auch ein paar Regeln sollte das in Ordnung sein.

Zu den Regeln sollte, wie oben schon gesagt, unbedingt gehören, dass auch auf Tellonym gilt, dass man keine privaten Informationen über sich preisgibt. Weil theoretisch JEDER mitlesen könnte.


Idee: Wenn es Dir nicht peinlich wäre, wenn Deine Großeltern mitlesen, dann kannst Du es posten. Und was Du keinem Fremden erzählen würdest, das schreibst Du auch nicht auf Tellonym.




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